Hallo,
ich hab mal wieder etwas Langeweile gehabt und eine neue Geschichte geschrieben. Ich hoffe, sie gefällt Euch:
Das Rennen
Es war ein wunderschöner, sonniger Morgen, als Heinrich aus dem Stall zurück kam. Er hatte gerade die Kühe gemolken, gefüttert und den Stall ausgemistet und wollte nun selbst etwas frühstücken. Seine Frau hatte, als er in den Stall ging, das Frühstück vorbereitet und nun saßen sie gemeinsam am Tisch und unterhielten sich. Nach einer Weile bemerkte Heinrich, der vor einem halben Jahr seinen 65ten Geburtstag gefeiert hatte, ihm sei nicht so gut und er wollte sich etwas hinlegen. Den Hof hatte er, als er 60 wurde, seinem Sohn überschrieben. Da er zwar seinem Sohn auf dem Hof noch etwas half, hatte er auch im Moment nichts zu tun und so legte er sich nach dem Frühstück im Wohnzimmer auf die Couch um nochmal etwas zu schlafen. Seine Frau sollte ihn nach etwa einer Stunde wecken, damit er noch das schöne Wetter etwas ausnutzen konnte um das Heu zu wenden.
Als ihn seine Frau zu der verabredeten Zeit wecken wollte, bekam sie ihn einfach nicht wach, denn Heinrich stand zu diesem Zeitpunkt heftig diskutierend mit Petrus am Himmelstor. „Es ist noch keine Zeit für mich“, sagte er, „ich hab doch noch so viel zu tun.“ „Du hast in Deinem Leben genug gearbeitet und jetzt ist die Zeit für Dich gekommen, Dich hier oben auszuruhen.“ Kein Argument fruchtete bei Petrus, aber Heinrich wollte immer noch nicht hinein gehen. So ging es hin und her, bis Heinrich endlich ein unschlagbares Argument einfiel: „Ich bin noch nie einen Schlepper von M*A*N gefahren, das solltest Du mir wenigstens noch gönnen, bevor ich hier reinkomme!“ Da gab sich Petrus geschlagen, denn er hatte viele Geschichten von anderen Bauern gehört, die einen solchen Schlepper besessen haben und ihn auch niemals loslassen wollten. „Gut“, sagte er, „Du hast Dich immer aufopfernd um Deine Tiere gekümmert, warst immer hilfsbereit, wenn ein Nachbar Deine Hilfe gebraucht hat und bist auch sonst ein guter Mann gewesen. Du darfst nochmal für ein Jahr zurück und kaufst Dir einen M*A*N, den Du für dieses Jahr fährst. Aber wenn dann der Gevatter bei Dir anklopft, gehst Du ohne Murren mit ihm“, wohl wissend, dass Heinrich auch dann wieder Schwierigkeiten macht, denn er wusste von den anderen M*A*N-Fahrern, dass diese auch den Schlepper nicht mehr hergeben wollten.
Also ging Heinrich wieder zurück und seine Frau, die schon den Notarzt holen wollte, war glücklich ihn endlich wach bekommen zu haben. Heinrich fuhr nun mit dem Fendt die Wiesen ab um das Heu zu wenden, aber das Gespräch mit Petrus ging ihm nicht aus dem Kopf. ‚War das nun ein Traum, oder Wirklichkeit? ‘ überlegte er und in seinem Kopf spukte das Bild von einem 45 PS – Allrad – M*A*N. Als er abends auf den Hof zurückkam blätterte er, noch vor dem Abendessen, sämtliche Zeitungen durch, kaufte sich am nächsten Tag eine Schlepperzeitschrift und suchte nach ihm: einem 4P1, A45 oder einem ähnlichen Schlepper, aber was er fand war ein 4S2 mit 50 PS den er sich sofort kaufte. Der Traktor war für den Forst ausgerüstet, hatte eine Front – Seilwinde und eine Forstzange hinten angebaut und Heinrich war so glücklich, wie er seit seiner Hochzeit mit Annegret nie mehr war und Annegret freute sich auch, als sie merkte wie glücklich ihr Mann mit dem neuen Schlepper war. Sie hatte bemerkt, wie er die letzten Jahre, seit er den Hof abgegeben hatte, immer unzufriedener wurde, weil ihm doch die Arbeit fehlte. Heinrich wollte den Fendt nicht mehr fahren und war nur noch mit dem M*A*N unterwegs. Er kaufte sich sogar ein Stück Wald, nur damit er den Schlepper auch „artgerecht“ einsetzen konnte. Frühmorgens, nachdem das Vieh versorgt war, bis abends, wenn es dunkel wurde, war er mit dem Schlepper im Wald. So verging die Zeit, bis das Jahr um war.
Eines Morgens, nach dem Frühstück, merkte er plötzlich, dass er auf der Couch lag und wusste nicht, wie er da hin gekommen war. Plötzlich bemerkte er eine Gestalt neben sich und er wusste genau, wer dies war. Er hatte keine Angst, obwohl er wusste, dass nun seine Zeit gekommen war und er dachte angestrengt nach, was er tun könnte, damit er noch längere Zeit mit Annegret und seinem M*A*N zusammen sein könnte. Da fiel ihm ein, dass der Gevatter ein leidenschaftlicher Spieler war und er ihm nur ein Spielchen vorschlagen musste, bei dem er mit Sicherheit als Sieger hervorgehen würde. Der Gevatter fuhr eine Achtspänner – Kutsche und die Pferde waren so schnell, dass einem schwindlig wurde, wenn einen der Gevatter auf seinen letzten Weg abholte. „Ich weiß. Gevatter, Du sollst mich abholen weil meine Zeit gekommen ist“, sagte er zu ihm, „aber darf ich Dir einen Vorschlag machen?“ „ Was willst Du“, fragte der Gevatter Tod, „Du sollst einfach mit mir kommen, ohne Murren, wurde mir gesagt.“ Heinrich erwiderte: „Ja, und ich werde auch nicht murren … wenn Du meinen Vorschlag annimmst.“ „Sprich“, sagte der Gevatter „obwohl ich weiß, dass Du mich mit Deinem Vorschlag reinlegen willst.“ „Gut, hör zu,“ meinte Heinrich, „wir beide fahren ein Rennen, ich mit meinem Traktor und Du mit Deiner Kutsche.“ Der Gevatter lachte laut auf, war er sich doch seines Sieges sicher, denn es gibt kein schnelleres Gefährt als seine Kutsche. „So, ein Wettrennen willst Du gegen mich fahren“, sagte er, „hast Du Dir das gut überlegt?“ „Natürlich, aber zwei Bedingungen habe ich noch, ich suche die Strecke aus und sollte ich gewinnen, gibst Du mir nochmal 5 Jahre Zeit“ sagte Heinrich. Siegessicher stimmte der Gevatter zu und ging zu seiner Kutsche um sie für das Rennen vorzubereiten. Während der Gevatter mit seinen Pferden sprach, um sie auf das Rennen einzustimmen, ging Heinrich zu seinem Sohn. „Peter“, sagte er zu ihm „Du musst mir einen Gefallen tun. Mach mit der Wehr eine Übung an der Alten Kirchen!“ Peter war nämlich der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr hier im Ort und er versprach seinem Vater sofort mit den Kameraden eine Alarmübung dort abzuhalten. Heinrich kannte den Boden rings um die Alte Kirche, denn dort war er, wenn es sehr stark geregnet hatte, des Öfteren mit dem Fendt stecken geblieben und erst sein Freund und Nachbar konnte ihn mit seinem M*A*N – Allrad dort rausziehen. Langsam schlenderte Heinrich hinaus zu seinem Traktor, während er im Dorf die Sirene heulen und gleich darauf das Tanklöschfahrzeug losbrummen hörte, das mit Blaulicht und Sirene in Richtung Alte Kirche fuhr. ‚Um Wasser brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen‘, dachte er, denn unterhalb der Kirchenruine war eine Quelle, die einen kleinen Teich speiste aus dem sie ihr Wasser saugen können.
Er ging zum Gevatter, der seine Sense bereits auf dem Kutschbock verstaut hatte und mit seine Pferden sprach. „Wir lassen ihm einen Vorsprung und kurz vor dem Ziel zeigt ihr ihm, was ihr drauf habt“, hörte er ihn murmeln. Er schmunzelte in sich hinein und hoffte, dass die Kameraden der Feuerwehr an der Ruine bereits voll im Gange waren und den Boden schön nass machten. Er sah sich die Kutsche des Gevatters an und dachte: ‚Mit diesen schmalen Rädern wird sie ziemlich tief einsinken und die Pferde werden ihre Mühe haben, die wieder da rauszubringen, wenn überhaupt‘. Er ging zum Gevatter und sprach mit ihm über die Strecke, die sie fahren werden. Vom Hof aus links um den Berg, an der Kirchenruine vorbei und dann nach rechts wieder zurück zum Hof. Das waren ungefähr 6 Kilometer und der Gevatter nickte zustimmend. Heinrich ging nun zu seinem Traktor und startete ihn, während der Gevatter Tod seinen Kutschbock bestieg, mit der Peitsche knallte und wie der Weihnachtsmann laut „Ho, ho, ho“ rief. Heinrich fuhr los und der Trecker, der kein Schnellganggetriebe besaß, tuckerte mit 20 km/h die Straße entlang. Der Tod lachte laut und seine Pferde trabten los, immer ein paar Meter hinter dem M*A*N her. Nach etwa einer halben Stunde näherten sie sich der Alten Kirche und Heinrich sah von weitem, wie die Kameraden der Feuerwehr einen der Ihrigen mit einer Feuerwehrleine aus dem Schlamm herauszogen, der sich mittlerweile gebildet hatte und der darin stecken geblieben war. In diesem Moment sah der Tod seine Zeit gekommen, schnalzte laut mit der Zunge und peitschenknallend zog er mit der Kutsche am Schlepper vorbei. Heinrich hörte ihn noch laut lachen, bis die Kutsche in Höhe der Alten Kirche plötzlich mit einem Ruck stehen blieb. Die Pferde wühlten den Boden unter sich auf, als sie versuchten die Kutsche vergebens aus dem Modder heraus zu ziehen. Keinen Millimeter bewegte sich die Kutsche mehr und Heinrich tuckerte mit seinem 4S2 mit eingeschaltetem Allrad gemächlich an der Kutsche vorbei. Nicht einmal rutschte der M*A*N als er mit ihm, fast bis an die Achsen tief im Schlamm, an der Kirche vorbei fuhr. Der Gevatter fluchte laut und knallte mit der Peitsche, um die Pferde weiter anzuspornen, aber die Kutsche rührte sich nicht. Auch sein Drohen mit der Faust gegen Heinrich nutzte nichts, die Kutsche war erbärmlich festgefahren. In aller Gemütsruhe fuhr Heinrich mit seinem Schlepper auf den Hof, holt eine Kette aus der Scheune und tuckerte wieder zurück zur Alten Kirche. Am Rande des Schlammpfuhls blieb er stehen und rief dem Gevatter zu, er solle die Kette an der Kutsche anbringen, der M*A*N würde ihn schon da rausziehen. Fluchend und schimpfend stieg der Gevatter vom Kutschbock und sank sofort bis zu den Knien im Modder ein, aber es half ihm nichts, er stakte durch den Schlamm um die Kette zu holen und sie vorne an der Deichsel zu befestigen. Heinrich setzte sich auf den Sitz seines Traktors, summte ein Lied und fuhr langsam, die Kutsche hinter sich herziehend, auf seinen Hof. Die Kameraden der Feuerwehr waren schon da, denn der Kommandant hatte sie alle zu einem Grillfest auf den Hof eingeladen. Mit dem Schnellangriffsschlauch vom TLF spritzen sie die Pferde und die Kutsche sauber, nur der Gevatter, dessen Kutte über und über mit Schlamm besudelt war, konnte sich nicht freuen, hatte er doch zum ersten Mal seit seinem Bestehen ein Rennen verloren. „Nun, Gevatter, stehst Du zu Deinem Wort und gibst mir nochmal 5 Jahre?“ fragte Heinrich, mit einer Bürste die Kutte des Gevatters vom Schlamm befreiend. „Ich weiß zwar nicht, wie ich das dem Chef erklären soll, aber ja, Du hast Deine fünf Jahre“, sagte der Tod und ging zurück zu seiner Kutsche um wild gestikulierend und schimpfend von dannen zu fahren. Heinrich ging zu seinem Traktor und fuhr ins Dorf um noch einige Kisten Bier für die Kameraden der Feuerwehr zu holen und sie feierten noch den Sieg bis spät in die Nacht. Heinrich ging etwas früher ins Bett, denn er wollte morgens noch die Kühe versorgen und seinen Schlepper wollte er auch noch auf Hochglanz polieren, denn das hatte er verdient, hatte er ihm doch ohne Probleme zu seinem Sieg über den Gevatter Tod verholfen.
„Heinrich“, hörte er Annegret rufen, „Heinrich, Du wolltest doch noch Heu wenden!“. Langsam räkelte er sich von der Couch hoch, auf der er tief und fest eingeschlafen war und ging hinaus zum Fendt, um mit ihm das Heu zu wenden.
Morgen würde er wieder im Wald arbeiten …