Lieber Armin
Es freut mich zu lesen, dass dir meine Berichte über die Restaurierung gefallen. Ich will dir auch gerne erklären, warum ich (offenbar) mehr Fragen stelle, als andere.

Vorweg: Ich habe zwar eine naturwissenschaftliche Ausbildung mit reichlich Physik hinter mir, aber ich hattte und habe keinen Dunst von praktischer Fahrzeugtechnik. Im Gegensatz zu den allermeisten unter euch hatte ich auch in den Pubertätsjahren nie das Bedürfnis, an meinem Töffli (Mofa) rumzuschrauben oder es gar zu frisieren.
Ich gebe auch gerne zu, dass mir alles was Biologie betrifft, wesentlich näher steht als Mechanik und Elektrik und dass ich noch heute lieber in frische warme Kuhscheisse greife als in kaltes Altöl!

Insofern würde ich vielleicht gescheiter Bienen züchten, als an einem alten Trakti Rost zu klopfen...
Da ich mich jedoch dazu entschlossen hatte, den Hof selbst zu bewirtschaften, hatte ich von einer Sekunde auf die andere auch das Maschinen-Inventar an der Backe - und damit auch den Unterhalt und die Karrensalbe und das Altöl.

Und weil es bei uns im Kaff keinen Landmaschinenmechaniker gibt und ich nicht wegen jedem Mückenschiss in der Weltgeschichte rumgondeln möchte, musste ich notgedrungen damit beginnen, ein paar Dinge selber zu machen.
Und bei meinem 4R3 prallen jetzt halt verschieden Faktoren aufeinander, die nicht einfach unter einen Hut zu bringen sind:
Einerseits ist da die alte Technik, so wie sie von den Ingenieuren bei MAN entwickelt wurde. Andererseits ist da der Trakti in seinem heutigen Zustand - mit allen Änderungen und Abkürzungen, die in den letzten Jahrzehnten daran vorgenommen wurden. Schlussendlich kommen dann noch viele entnervende Details, weil die in der ETL aufgeführten Teile noch beim Bau geändert, diese Änderungen in ETL aber nicht nachgetragen wurden (vermutlich war es damals schon klar, dass der Traktorenbau in der Sackgasse steckte und drum nahm man es nicht mehr so genau damit). Und am Schlimmsten ist die Tatsache, dass ich, der diese Dinge zu handeln versuche, von Berufs wegen Fragen stelle und in Worstcase-Szenarien denke.
Nehmen wir als jüngstes Beispiel die Befestigung der Kardanwelle: Am Trakti vorgefunden: Normale M-8 Muttern bei der Rutschkupplung, ohne Schnorrscheiben, ohne Federringe. Dafür hat dann noch irgendein Depp zur Dekoration einen Draht durch die Löcher durchgezogen und verplombt. Da gehören aber Kronenmuttern hin und dann macht das mit dem Draht und der Plombe auch plötzlich Sinn. Aber es gab damals ja auch schon Stopmuttern. Wieso wird dann die "altertümliche Methode" mit den Kronenmuttern verwendet. Oder noch anders gefragt: Wieso sichern die nicht jede Kronen-Mutter mit einem Splint und wursteln statt dessen diesen blöden Draht durch die Schraubenlöcher? Also wenn ich schon stundenlang an so einem Teil rumdoktere und mir die Finger versaue, will ich es einfach wissen!

Und wenn ich mir überlege, dass ich mit dem Ding nachher bei uns am Hang arbeiten muss, bekommen das von Seiten der Betriebssicherheit noch einen zusätzlichen Aspekt...

Also lautet mein Motto: Lieber erst fragen, als Scheisse bauen!

Gruss aus der fragwürdigen Welt
Fritz