Hallo Jürgen
Es ist genau wie du vermutest. Das Heu geht an den Zoo in Zürich. Ich bewirtschafte ja unter anderem 4 ha Steillagen mit mehr als 35 % Neigung. Davon sind 0.5 ha mit einer Neigung von über 45%. Die Bewirtschaftung ist daher ziemlich mühsam. Ich habe mich deshalb dazu entschlossen, diese Flächen als sogenannte Biodiversitätsförderungsflächen (BFF) anzumelden, d.h. kein Dünger, später Schnitt, kein Mähaufbereiter, 5-10% müssen als Rückzugsflächen stehen bleiben... Pipapo

Meine lieben Nachbarn, die dieses Land je nicht pachten wollten und mich damit quasi zur Selbstbewirtschaftung des Betriebes gezwungen haben, sind natürlich ausgeflippt, als sie gemerkt haben, dass ich mit dieser Art der Bewirtschaftung einen geradezu traumhaften Ertrag erziele, den ich jetzt noch steigern werde, weil auf diesen Flächen mittlerweile wieder seltene Pflanzen wachsen, die mit zusätzlichen Fördergeldern honoriert werden. Um dir mal ne Vorstellung davon zu geben: Wenn ich eine Hektare mit Gerste bepflanze, bleiben mir am Ende der Geschichte etwa Fr. 800.-- als Direktkostenfreier Ertrag auf den Küchentisch liegen. Bei den Biodiversitätsförderungeflächen reden wir von etwa dem 4.5 fachen. Es ist also lukrativ, sich damit etwas vertiefter zu befassen.
Für meine Nachbarn ist es einfach unbegreiflich, dass man freiwillig mehr BFF anlegt, als es "Vorschrift" ist. Und um mir ihr Missfallen auszudrücken, meinten Sie, dass ich das Heu von diesen Wiesen dann gerne selber fressen dürfe. Das Zeug könne man ja höchstens als Stroh benutzen oder besser gleich anzünden. Wie gut, dass ein Studienkollege von mir in Zürich am Zoo arbeitet...
Lieferkonditionen: Dürrfutter, also Heu. Möglichst später Vegetationszeitpunkt, aber kein verfaulter Unterwuchs. Ganz lange Ware, je länger desto besser. Keine Konservierungsmittel (Ca-Propionat, etc.). Ganz locker gepresste Rundballen, nicht mehr als 200 kg pro Ballen.
Dies Auflagen erfülle ich mit meinem Naturwiesenbestand auf Anhieb. Bei spät geschnittenen Kunstwiesen hat man immer das Problem, dass es unten zwischen den Halmen zu modern beginnt. Im Bestand mit Lieschgrass, Frommenthal, Ruchgrass, Rotschwingel und z.T. etwas Knaulgrass passiert das nicht. Das wird oben rum gelb und ist unten drin luftig und grün. Und wegen der Länge: Dieses Jahr sind das Lieschgras und der Frommenthal über 2 m hoch! Einfach geil! Der Ertrag ist natürlich bescheiden. Ich rechne mit etwa 2.5 tonnen Trockenmasse pro ha. Der Preis, den ich dafür bekomme, deck mir aber die Produktionskosten (Diesel für Mähen, Zetten, Schwaden, Wartung und Maschinenabschreibung, Loharbeiten fürs Pressen und den Transport vom Feld in die Scheune). Klar: Lohn habe ich mir auch noch keinen bezahlt. Aber man soll nicht zu gierig werden. Immerhin bleiben die Förderbeiträge als Netto-Rendite auf der Tischkante!
Bilder vom Heuen habe ich letztes Jahr schon eingestellt. Dieses Jahr habe ich von der eigentlichen Arbeit keine Bilder gemacht. Aber ich hab sonst ein paar Aufnahmen...

Natürlich habe ich mir als studierter Milchviehmensch zu dem Bestand so meine Gedanken gemacht. Interessanterweise wird dieses gelbe Zeug von den Kühen auch noch sehr gerne gefressen. Wichtig: Es muss einwandfrei konserviert sein. Leider ist die BFF bei den Landwirten ein sehr ungeliebtes Kind und die Fläche wird halt abgezwickt wenn's grad passt. Und wenn's dann halt reinregnet, so what!
Mich hat aber die Vielfalt der Schmetterlinge überzeugt. Klar: Früher hatten wir auch welche. Aber seit das überständige Gras dort steht, wimmelt es geradezu von Schmetterlingen. Unglaublich! Ich frage mich vor allem, wovon die dort leben, denn Blüten hat es ja nicht gerade viele. Trotzdem ist die schiere Menge beeindruckend. Vor allem, wenn man gemäht hat und sieht, was sich auf den restlichen 5-10% abspielt!
Und dann war da noch die Sache mit der einen Heuballe. Mein Lohnunternehmer schickte mir einen Angestellten, der mit den Arbeiten und den Gefahren am Berg noch nicht so bewandert war. Seine Aufgabe: Heuballen zur Scheune fahren. Meine Aufgabe: Einlagern der Ballen. Prompt hat er eine Balle nicht richtg angesteckt und das Ding verloren. Da haben sich 200 kg auf eine lange Reise begeben und sind im Dauerlauftempo erst durch meine Gerste und meine Kunstwiese, dann beim Nachbarn durch die Wiese, über einen Güterweg und dann durch ein Feld mit Dinkel. Dann durchbrach das Ding einen Weidezaun, durchquerte die Weide und walzte an der anderen Seiten den Zaun erneut platt. Dann nochmals ein kleiner Güterweg und ein Stück Wiese, ein Hüpfer über eine 80 cm hohe Stützmauer und dann rollte das Ding auf der Kantonsstrasse (bei euch Bundesstrasse) und blieb zu guter Letzt an einem Begrenzungspfosten auf einer Verkehrsinsel hängen.

450 m in der Distanz, knapp 80 Höhenmeter! Und ich stand am Mansardenfenster in der Scheune und konnte dem Ding nur noch nachsehen und beten, dass es dort unten auf der Strasse nicht zu einer Kollision kommt. Stell dir mal vor, da wird ein Radfahrer von dem Ding platt gemacht! Zum Glück ist nicht passiert! Aber harmlos ist das nicht und ich hatte ganz schön Bauchkrämpfe! Murphy hat völlig recht: Wenn etwas in die Hosen gehen kann, wird es früher oder später unweigerlich passieren.

So viel zum Elefantenheu.
Gruss aus der buckligen Welt
Fritz